Alice Gramm (*06.02.1908)
Alice Gramm, selbst im Paulinenstift aufgewachsen, betreute dort später mit größter Liebe und Aufopferung
die Jüngsten. Mit den letzten Kindern des Waisenhauses am Papendamm wurde Alice Gramm am 11. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert.
Auszüge aus Briefen von Dr. Joseph Carlebach an seine Kinder
Brief vom 8. April 1940
Meine geliebte Mirjam!
….. Im Haus ist es manchmal ganz fröhlich. Am Schabbat kommen immer die kleinen aus dem Paulinenstift zum Frühstück zu uns ins Haus und erzählen uns was vor und bringen viel kindliche Stimmung. Besonders Evas kleiner Liebling, Erwin, klettert an mir hoch und lässt sich in seiner Liebebedürftigkeit ein bißchen verziehen….
Brief vom 5.Oktober 1941
Geliebte Eva!
….. Von den alten Gästen, die sonst bei uns erscheinen, sind nicht mehr viele hier, aber die kleinen Kinder aus dem Paulinenstift und dem Waisenhaus – unter diesen Dein kleiner Freund Erwin – machten uns wieder ihren Besuch. Erwin hängt noch immer an mir wie an einem fehlenden Vater und ließ sich auch nur unter Tränen von der Laubhütte trennen. Die kleine Schar ist auch oft am Schabbat zum Frühstück bei uns zu Tisch, wenn auch jetzt, wo sie ins Waisenhaus übergegangen sind, die Hausordnung einen Dispens nicht gerne sieht. …..
Auszug aus: Miriam Gillis-Carlebach, Jedes Kind ist mein Einziges, Hamburg 2000
Marion Krauthamer (* 18.04.1924) und Manfred Krauthamer (* 11.03.1928)
Quelle: Ursula Randt, Vergeßt uns nicht
, in: Lehberger, R. und de Lorent, H.-P. (Hrsg.),Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz, S.325 ff., Hamburg 1986
sowie Recherchen Johann-Hinrich Möller im Staatsarchiv Hamburg
Jacob Fertig (* 16.01.1927)
Die im Staatsarchiv Hamburg vorliegende Deportationsliste für den Transport am 11.07.1942 nach Auschwitz beinhaltet unter der Anschrift Papendamm 3 auch den Namen von Jacob Fertig, der 1927 in Mannheim geboren wurde. Im 1995 vom Staatsarchiv herausgegebenen Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Hamburg ist der Name von Jacob Fertig jedoch nicht enthalten, da dem Staatsarchiv keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorliegen, ob Jacob Fertig in Auschwitz ermordet wurde oder möglicher Weise den Holocaust überlebt hat.
Eine Anfrage beim Stadtarchiv Mannheim hat ergeben, dass Jacob Fertig von August 1928 bis November 1938 zwischenzeitig mit seiner Familie in Viernheim lebte und am 2.06.1940 nach Hamburg kam. Seine Mutter wurde im Oktober 1940 zunächst nach Gurs in Südfrankreich und im August 1942 nach Auschwitz deportiert. Sie gilt nach Auskunft des Stadtarchivs Mannheim als verschollen. Sein Vater emigrierte nach Palästina. Auch dem Stadtarchiv in Mannheim liegen keine verlässlichen Informationen über das weitere Schicksal von Jacob Fertig vor.
Die „Central Database of Shoah Victims’ Names“ enthält hingegen einen Eintrag über Jacob Fertig, Geburtsjahrgang 1927, mit Hinweis auf Mannheim. Die Datenbank von Yad Vashem bezieht sich auf eine Eintragung im Gedenkbuch des Bundesarchivs in Koblenz.
Wir sind daher davon ausgegangen, dass auch Jacob Fertig von Hamburg seine Reise in den Tod antreten musste und Opfer der Shoah wurde.
Esther Ascher und Ruth Geistlich
- Ermordung und Überleben
Esther Ascher (* 05.09.1928) und Ruth Geistlich (heute: Ruth Dräger) lebten im Waisenhaus am Papendamm und waren als gleichaltrige eng befreundet. Mit anderen Mädchen, die nach den Deportationen vom Herbst 1941 noch am Laufgraben wohnten, zogen sie in das Knabenwaisenhaus am Papendamm. Dort erhielten beide Anfang Juli ihren Deportationsbefehl für einen zum 10. Juli 1942 vorgesehenen Transport nach Auschwitz. Mit Hilfe ihres Großvaters und Unterstützung einer Erzieherin gelang es Ruth, noch am Vorabend ihrer vorgesehenen Deportation aus dem Waisenhaus zu fliehen. Um Spuren zu verwischen, lud der Großvater nicht nur Ruths gesamte Habseligkeiten mit dem schon für die Deportation gepackten Koffer sondern auch ihr Bettgestell nebst Bettzeug auf eine Schottsche Karre und brachte die damals 14-jährige in seine Wohnung.
Der folgende Tag bedeutete für Esther und die restlichen noch am Papendamm lebenden Waisenkinder die Reise in die Vernichtung. Ruth lebte danach für kurze Zeit mit ihren Großeltern in der Wexstraße bis die Gestapo eine Zwangsumsiedlung in die Bornstraße 22 anordnete. Im März 1943 wurde auch Ruth deportiert und 1945 in Theresienstadt befreit. Sie lebt seitdem wieder in Hamburg.
Quelle: Karin Guth, Bornstraße 22 – Ein Erinnerungsbuch, Hamburg München 2001, ISBN 3-935549-06-7 Interview mit Ruth Dräger, geb. Geistlich, am 25.April 2006, geführt von Johann-Hinrich Möller Anmerkung: Das Ziel der Deportation aus Hamburg vom 11.07.1942 wird allgemein mit ‚Auschwitz’ angegeben. Es wird vereinzelt jedoch auch von Warschau gesprochen, vgl. Gottwaldt A., Schulle D., Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941-1945, S. 221 und 395, Wiesbaden 2005
Die Anregung zur Verlegung der Stolpersteine vor den ehemaligen jüdischen Waisenhäusern verdanken wir Frau Dr. Ursula Randt, die uns auch mit umfangreichem Informations- und Bildmaterial unterstützt hat.
Wir danken ferner Herrn Jürgen Sielemann, Staatsarchiv Hamburg, für seine unermüdliche Hilfe bei unseren Recherchen sowie allen
Paten, die die Verlegung dieser Steine ermöglicht haben.
Hamburg, im Juni 2006
Redaktion:
Gunter Demnig
Peter Hess
Johann-Hinrich Möller
Bildmaterial: Privatbesitz Dr. Ursula Randt, soweit nicht abweichend angegeben
Kontakt:
Stolpersteine in Hamburg
Peter Hess
Heimhuder Str. 33
20148 Hamburg
Tel: 040 41 05 162
Email:stolpersteine.hamburg@yahoo.de
Internet:www.stolpersteine-hamburg.de